Auf Wunsch einiger Gottesdienstbesucher vom 23.1. die Predigt hier noch einmal zum Nachlesen.
Gnade und Friede sei mit euch!
Wenn es etwas gibt, was ich nicht weiß oder kann, dann informiere ich mich in der Regel. Wenn ich wissen will, wann man eine bestimme Pflanze umtopfen oder düngen sollte, dann frage ich meine Mutter. Wenn ich Yoga lernen möchte, dann mache ich einen Kurs und gucke mir bei der Kursleiterin ab, wie das geht. Und wenn ich etwas anderes lernen möchte, zum Beispiel, wie ich zufriedener werden kann, dann lese ich ein Buch darüber. Und für alles andere – die richtige Dosierung von Ibuprophen oder wie man selbst eine Ente zubereitet – das frage ich das Internet.
Viele Dinge kann man lernen, dadurch dass man sich etwas abguckt oder dass man etwas nachliest oder jemand einem etwas ausführlich erklärt. Schwierig wird es bei den Dingen, wo es keine fest vorgegebenen Schritte gibt, die einen auf jeden Fall zum gewünschten Ergebnis bringen.
Wie geht Liebe? Wie geht Hoffnung? Und wie geht Glaube?
Nicht nur ist das schwieriger zu erklären. Fragen Sie einmal jemanden, wie er eigentlich hofft. Wie sie das macht, mit dem Glauben. Es ist viel leichter, zu erklären, wie man den Ofen vorheizen muss und in welchem Fond man die Ente garen muss.
Es ist auch deshalb nicht leicht zu erklären, weil Menschen auf unterschiedliche Weise glauben. Für die einen ist das Gebet ganz zentral. Regelmäßig beten, sich mit Gott austauschen, hören, reden – das ist ihr Zugang zu Gott. Andere hören ein Musikstück, wie wir vorhin zum Eingang. Und augenblicklich fühlen sie sich getragen und wissen, ja, da ist einer, der mich hält, das spüre und glaube ich. Andere wiederum lesen gerne in der Bibel, die Geschichten geben ihnen Zuversicht. Für manche hat singen ganz viel mit Glauben zu tun.
Andere drücken ihren Glauben so aus, dass sie das tun, was sie als ihre Pflicht erkennen, für andere da sind.
Ich bin wirklich überzeugt, dass der Glaube an Gott kein T-Shirt ist, was es nur in einer Größe gibt, die dann allen passen muss. Glauben ist keine Uniform. Sondern Gott sucht sich für jeden den Weg, der zu ihm oder ihr passt.
Wie also geht glauben? Es gibt dafür keine Gebrauchsanweisung in 10 Punkten.
Wenn Sie sich zurück erinnern, wie ist der Glaube bei Ihnen entstanden? Wodurch ist er gewachsen?
Viele Menschen, die glauben, wachsen dort hinein. Weil die Eltern abends vor dem Schlafengehen mit ihnen beten. Oder weil die Oma sie sonntags mit in die Kirche nimmt. Manche singen auch jahrelang in einem Kirchenchor, erst nur weil das Singen Spaß macht. Aber irgendwann dann auch, weil sie merken, dass diese Lieder etwas mit ihnen zu tun haben.
Glauben wächst durch Nachahmung. Und durch Erfahrung – eigene Erfahrung, aber auch durch das, was andere erzählen und weitergeben von ihrem Glauben. Wir müssen offenbar auf irgendeine Weise merken, dass da etwas dran ist: dass es einen liebenden Gott gibt.
Die evangelische Kirche legt Wert darauf, dass Menschen selber glauben, selber beten. Den Glauben kann einem keiner abnehmen, so die Vorstellung. Keine Heiligen können stellvertretend für mich glauben. Und ich kann das Beten, Singen oder Gutes tun nicht von Mönchen oder Nonnen erledigen lassen.
Das heißt einerseits, dass ich mich vor Gott nicht drücken kann. Es heißt aber auch, dass ich nicht in der Masse untergehe, dass Gott mich sieht und sich an mir kleinem Menschen freut. Und trotzdem stehe ich nicht allein auf weiter Flur. Denn man kann sehr wohl für andere mitglauben.
Das Evangelium, was wir gerade gehört haben, erzählt so eine Geschichte, wo einer für einen anderen mitglaubt. Der römische Hauptmann kommt zu Jesus. Ein Soldat, Vertreter der römischen Besatzungsmacht, kommt zu Jesus, einem unbewaffneten Wanderprediger. Und zwar hat er ein Anliegen: sein Knecht ist sehr krank und hat offenbar große Schmerzen.
Und Jesus will seiner Bitte nachkommen und mit ihm nach Hause gehen und den Knecht heilen. Aber er hat nicht damit gerechnet, dass ihm der Hauptmann sogar eine Fernheilung zutraut. Der Hauptmann weiß, wie es ist, wenn man Macht hat – er ist es gewohnt, Befehle zu erteilen und dass sie befolgt werden.
Er traut Jesus das gleich zu: Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Jesus ist beeindruckt, dass dieser Hauptmann, der mit anderen Göttern aufgewachsen ist als mit dem Gott der Juden, dass der nun daran glaubt, dass Jesus solche Macht hat. Jesus erlebt sogar bei dem Hauptmann größeren, stärkeren Glauben als bei seinen eigenen Leuten. Das bewegt ihn tief.
Und er belohnt den Glauben des Hauptmanns: Geh wieder nach Hause, es soll das passieren, was du geglaubt hast. Und genau in dem Moment wurde der Knecht wieder gesund.
Über diesen Knecht wiederum erfahren wir nichts. Wir wissen nicht, wie er heißt, auch nicht, welcher Volksgruppe er angehört. Und vor allem, wissen wir nicht, was er glaubt. Es ist recht wahrscheinlich, dass er in Jesus nicht den Sohn Gottes gesehen hat, den, der die Welt erlösen kann – und auch ihn.
Aber das ist in dieser Geschichte erstaunlicherweise egal. Ob der Knecht etwas glaubt, spielt keine Rolle. Jesus fragt nicht nach, ob der Knecht denn auch glaubt, was der Hauptmann glaubt. Ob er wenigstens regelmäßig in die Synagoge geht, die Gesetze befolgt.
Der Glaube des Knechts ist hier unwichtig. Er wird wieder gesund, weil ein anderer für ihn glaubt.
Für andere Menschen zu glauben, weil sie es selber gerade nicht können ist auch für evangelische Christinnen und Christen kein ganz abwegiger Gedanke. Eltern lassen ihre kleinen Kinder taufen, weil sie für ihre Kinder glauben – bis diese selberhineinwachsen in ihre eigene Beziehung zu Gott.
Wir beten in den Fürbitten jede Woche für andere Menschen, manche von ihnen glauben an Gott, andere nicht und wieder andere nennen ihn anders als wir es tun. Trotzdem gehen wir davon aus, dass Gott sich ihnen zuwendet, ihnen helfen kann – ganz unabhängig von ihrem Glauben, sondern weil wir ihn darum bitten.
Und dann gibt es noch das, was ich den Überbrückungsglauben nenne. Manchmal braucht unser Glauben Starthilfe wie ein liegengebliebenes Auto. Wir zweifeln vor uns hin, es fehlt die Zuversicht und der Mut und überhaupt das Vertrauen, dass Gott an unserer Lage überhaupt irgendetwas ändern kann. Oder dass er uns überhaupt hört.
Dann braucht es Menschen, die für einen einfach ein bisschen mit-glauben. Wenn andere weiter dran bleiben und auf einen guten Ausgang hoffen, dann fällt es einem selber auch etwas leichter.
Mir ging es selber vor sechs, sieben Jahren so, dass ich in einer Sache nicht mehr glaubte, dass sich die Lage einmal zum Guten wenden würde. Und ich erinnere mich noch, wie eine Freundin damals zu mir sagte: auch wenn du das jetzt nicht glauben kannst, ich vertraue, dass das so kommen wird. Ich glaube einfach für dich mit.
Das hat mich bestärkt und getragen. Mein Vertrauen hat in dieser Sache nicht gereicht. Aber sie hatte so viel davon, dass sie mir etwas abgeben konnte. Erst vor einiger Zeit habe ich sie angerufen und mich bedankt. Es war alles gut geworden.
Es ist nur eins von mehreren Beispielen, wo der Glaube von anderen mich getragen hat.
Und so mache ich Ihnen und euch heute Mut: glaubt für andere mit, wenn ihr Hoffnung übrig habt. Überbrückt, wenn ihr könnt, die Zweifel anderer mit eurer Zuversicht – möglichst so wie der Hauptmann aus Kapernaum: demütig und unaufdringlich.
Und so mache ich Ihnen und euch heute Mut: lasst andere für euch glauben, wenn ihr es gerade nicht könnt. Bittet sie ruhig darum. Vielleicht haben sie ja so viel Vertrauen, dass sie es gerne teilen wollen.
Amen.